Probleme des Alltags

Kenne ich Sie? Kleine Probleme des Alltags

Seit einiger Zeit habe ich ein Problem. Es ist nicht lebens- oder existenzbedrohend. Nichts, das als unüberbrückbar anzusehen wäre. Meistens muss ich ein bisschen schmunzeln, wenn es passiert. Aber es ist da, an jedem einzelnen Tag.

Die Rede ist von höflichen Umgangsformen. Menschen, die man kennt, sollte man grüßen. Sei es durch ein paar nette Worte, ein leichtes Kopfnicken oder Winken. Das an sich stellt kein Problem dar, bin ich doch von meiner Familie gut erzogen und mit den Gebräuchen der Höflichkeit bekannt gemacht worden.

Es ist auch nicht so, dass ich generell etwas dagegen habe, anderen Menschen freundlich gegenüber zu treten. Auch freue ich mich, bekannte Gesichter zu sehen und ihnen zu vermitteln, dass ich sie (mehr oder weniger) gerne mag.

Aber genau in dem Punkt des Sehens besteht die Problematik. Nein, an meinen Augen liegt es nicht, ich kann (mit Brille) sehr gut gucken und erkenne deutlich mehr als Umrisse in meiner Umgebung. Hier geht es eher um das Erkennen des Menschen, welchen ich vermeintlich kenne.

Es liegt auch nicht etwa an meinem Alter (immerhin gehöre ich seit ein paar Jahren zu der Generation 50 plus) oder einer beginnenden Beeinträchtigung meines Gehirns. Nein, mein Gehirn funktioniert zu 99 Prozent sehr gut (sehen wir mal von den kleinen Konzentrationsproblemen bedingt durch meine Tabletteneinnahmen ab) und die Alterserscheinungen halten sich ebenfalls (noch) in Grenzen.

Früher hatte ich dieses Problem nicht. In meiner Jugend wusste ich genau, mit wem ich es zu tun hatte. Die Nachbarn aus unserer kleinen Straße, Schulkameraden, Bekannte aus dem Reitstall, ich kannte und vor allem erkannte sie immer. Meine Welt war zwar nicht klein aber doch überschaubar.

Auch im Berufsleben konnte ich nach kurzer Eingewöhnung jedem Kollegen oder Geschäftspartner einen Namen und ein Gesicht zuordnen. Sogar an völlig artfremden Orten, wie zum Beispiel im Urlaub oder im Einkaufszentrum, erkannte ich zweifelsfrei mir bekannte Gesichter.

Nun gut, Namen waren in bestimmten Bereichen meines Lebens schon länger Schall und Rauch. Meine Hundegassibekanntschaften hießen das Frauchen von Betti, Herrchen von Baldo oder ganz vereinfacht Kira-Frauchen. So wusste wenigstens auch der Herzmann von wem ich sprach und konnte die Person einordnen. Hundenamen merke ich mir spannenderweise leichter als die der dazugehörigen Besitzer. Das hat mich aber nie gestört. Ich sprach die Leute ja ohnehin nicht direkt mit Namen an. Erkennen tat ich sie auch ohne Hund und das war das Wichtigste.

Dann zogen wir vor einigen Jahren aus der großen Stadt hinaus auf’s Land und das Schicksal nahm seinen Lauf. Die Nachbarn waren einfach, es waren ja nicht mehr so viele. Schnell lernte ich, wer wohin gehörte und ob ich ihn kannte oder nicht. Und auf dem Land grüßt sowieso jeder jeden im Vorbeigehen mit einem freundlichen Moin. Also eine ganz einfache Nummer.

Was jedoch neu war, man wird von Menschen aus vorbeifahrenden Autos mit einem fröhlichen Winken oder einer freundlich zum Gruß erhobenen Hand gegrüßt.

Und genau das ist mein Problem. Ich kann mir Gesichter von Menschen mit denen ich freundliche Gespräche führe gut merken. Nicht aber die dazugehörigen Fahrzeuge… Ich weiß nicht, dass die Dame drei Häuser weiter einen roten VW Polo fährt. Oder der nette Herr mit dem schönen Vorgarten, mit dem ich über Mähroboter gefachsimpelt habe, einen schwarzen BMW in der Garage stehen hat.

Einfach ist das Ganze noch, wenn es sich um ein Fahrzeug mit Firmenaufschrift handelt. Den männlichen Part unserer lieben Freunde aus dem Dorf erkenne ich immerhin an der Beschriftung seines Transporters. Bei meiner Freundin selbst wird es schon schwieriger. Welches Auto fährt sie noch gleich? Mein Versuch, mir wenigstens einigermaßen die Kennzeichen zu merken, schlug ebenfalls gänzlich fehl.

Und da man in so einem kleinen Dorf wie unserem nunmal aber auch daran gemessen wird, wie freundlich man zu seinen Mitmenschen ist, muss ich sehr auf der Hut sein, niemanden zu übersehen. Gedächtnislücken hin oder her.

Wenn ich also eine Gassirunde durch unser Dorf mache, beobachte ich mit Argusaugen, welches Fahrzeug mit entgegenkommt und überlege krampfhaft, ob ich den oder die Fahrerin vielleicht kennen könnte. Ein sehr schweres und fast aussichtsloses Unterfangen. Ich möchte ja auch nicht einfach auf blauen Dunst irgendjemandem zu winken, der dann vielleicht denkt, was will die Frau von mir, braucht sie vielleicht gar Hilfe.

Mit ganz unfairen Mitteln kämpfen übrigens die Menschen, die sich einfach – quasi über Nacht – ohne ein Wort zu sagen, ein neues Fahrzeug zulegen. Endlich hatte ich mir gemerkt, dass der Bruder unserer Vermieterin einen grauen BMW mit roten Kennzeichen fährt (wobei mein Augenmerk mehr auf den roten Kennzeichen lag muss ich zugeben). Da winkt mir plötzlich jemand aus einem blauen Golf mit normalem OD-Kennzeichen zu. In letzter Sekunde habe ich erkannt, dass es sich um die selbe Person handelt und schnell den Arm hochgerissen.

Bis jetzt habe ich noch keine Lösung für mein kleines Alltagsproblem gefunden. Ich arbeite daran und hoffe, dass ich irgendwann einigermaßen damit klar komme und sich nicht allzu viele Bewohner unseres Dorfes neue Autos zulegen.

Ich will wirklich nicht jammern, aber Ihr versteht, dass ich es nicht leicht habe, oder?

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